Die späteiszeitliche Siedlung Gönnerdorf

Station 02 - Schutzhütte "Auf der Lay" | Auf der Lay, 56568 Neuwied/ Feldkirchen

Der späteiszeitliche Siedlungsplatz Gönnerdorf

Nur wenige hundert Meter von diesem Aussichtspunkt entfernt wurde 1968 ein späteiszeitlicher Siedlungsplatz gefunden. Das Alter des Siedlungsplatzes wird auf 13.500 v. Chr., also in das Magdalénien-Zeitalter geschätzt.

Als die Bauausschachtungen im Neuwieder Stadtteil Gönnersdorf begannnen, konnte noch niemand wissen, dass die hierbei zu Tage tretenden archäologischen Funde einen wesentlichen Impuls für die Altsteinzeitforschung mit weltweit beachteten Ergebnissen bringen würde.

Die gefundene Siedlung befand sich auf einer Anhöhe über dem Rhein und wurde vom Hüllenberg auf der Wetterseite geschützt. Von dieser Sessellage aus konnt das gesamte Neuwieder Becken überblickt werden.

Ein zweiter späteiszeitlicher Siedlungsplatz wurde bereits Ende des 19. Jahrhunderts auf der anderen Rheinseite am Martinsberg in Andernach entdeckt. Die Forschungen ergaben, dass die beiden Siedlungen in engem Zusammenhang standen und parallel oder abwechselnd genutzt wurden.

In der Gönnersdorf-Siedlung wurden zum ersten Mal, neben den bemerkenswerten archäologischen Befunden, bearbeitete Gegenstände aus Quarz, Quarzit und Kieselschiefer gefunden. Die gefundenen Spuren des künstlerischen Schaffens des damaligen Menschen, die in Form von Elfenbeinschnitzereien und den Gravierungen von Mensch und Tier auf Schieferplatten entdeckt wurden, konnten den inhaltlichen Bogen zu der Kunst in den

jungpaläolithischen Höhlen Süddeutschlands, Frankreichs, Nordspaniens u.a. schlagen.

"Bereits vorher gabe es gefundene Kunstgegenstände, die stilistisch den Gönnerdorfer Funden ähnelten, jedoch lag dieser Reichhaltigkeit niergendwo anders vor."

Durch die Einbettung der archäologischen Funde im kalkhaltigen Löß und durch die Überdeckung des Fundplatzgeländes mit einer schützenden Bimsdecke durch den Laacher-See-Ausbruch 11.000 v. Chr. sind Elfenbein, Geweih und Knochen und die daraus gearbeiteten Gegenstände erhalte geblieben. Die Funde aus den beiden späteiszeitlichen Siedlungen werden heute im "Museum für die Archäologie des Eiszeitalters" im Schloss Monrepos in Neuwied ausgestellt.

Archäologische Ausgrabung in Gönnerdorf

Die Schieferplatten wurden vermutlich als Bodenbelag der Siedlung verwendet. Dazwischen fanden sich die einzelnen Bruchstücke der Steinzeichnungen.

Behausung in der Eiszeit

Die rekonstruierte Behausung wurde auf der Grundlage der archäologischen Funde angefertigt.

Die Zeichnungen und die Kunst der Späteiszeit

Die gravierten Schieferplatten haben Gönnersdorf schnell berühmt gemacht. Die Schieferplatten wurden als Baumaterial, als Pflasterung des Siedlungshorizontes, zu den Fundplätzen gebracht.

Im Laufe der Zeit brachen die Schieferplatten auseinander, so dass viele Zeichnungen erst nach der mühevollen Zusammensetzung der Einzelteile erkannt werden konnten. In Gönnersdorf wurden 275 Tierdarstellungen bzw. meist Teile von diesen erkannt. In Andernach wurden 37 Schieferplatten gefunden.

"In Schiefer konnte einfach graviert werden, da dieses Material besonders weiches Gestein ist. Hierzu reichte meist ein Bruchstück als Werkzeug."

Es wurden häufig Darstellungen von Mammuts, Pferden, Nashörnern, Rentiere, Robben und Vögel gefunden. Vereinzelt gab es auch Schildkröten und Frösche. Die Tiere wurden oft in verschiedenen Bewegungen dargestellt, was große Anforderungen an die zeichnerische Begabung stellte.

Die Bearbeitung von Elfenbein, Geweih und Knochen spielte eine wichtige Rolle. Die bis zu 2 m langen und 100 kg schweren Stoßzähne, aus denen das Elfenbein in Gönnersdorf gewonnen wurde, stammte vermutlich aus gefundenen Stoßzähnen längst verstorbener Mammuts. Die zu dieser Zeit nur noch selten im Neuwieder Becken vorkommenden Mammuts hatten vermutlich nur noch kurze oder garkeine Stoßzähne mehr.

Detail der Gönnersdorfer Platte 87

Eine Frau wird hier mit einer Kindertrage dargestellt. Frauendarstellungen finden sich oft in Gönnersdorf und Andernach. Im Gegensatz zu den Tierdarstellungen sind diese oft nur angedeutet. Die zahlreichen Funde deuten auf eine besondere Bedeutung dieser Skizzen hin.

Tierzeichnung aus Gönnerdorf; Platte 69

Die Steinplatte zeigt die Ritzung eines Auerochsens. Auf dem Foto ist die Kopfpartie des Tieres dargestellt.

Tierzeichnung aus Gönnerdorf; Platte 98

Die Steinplatte zeigt die Ritzung eines großen Nashorns mit Innenzeichnung. Besonders bemerkenswert ist die detaillierte Darstellung.

Tierzeichnung aus Gönnerdorf; Platte 276

Die Steinplatte zeigt die Ritzung eines Kranichs. Als Vergleich ist eine Zeichnung eines Kranichs ergänzt worden.

Die Siedlungen in der späteiszeitlichen Steppe

Die Fundplätze Gönnerdorf und Andernach und weitere Forschungen führen zu einem Modell der späteiszeitlichen Siedlungen: Die Menschen lebten in größeren Gruppen über längere Zeit hinweg in dorfartigen Siedlungen. Die Lage dieser Siedlungsplätze wurden nach den Bedürfnissen der Menschen und nicht auf die vom Herdenzug der Tiere abhängigen Bedürfnisse der Jagd gewählt.

Üblich war eine südorientierte Sessellage oberhalb eines größeren Flusses. Nach Norden und zur Wetterseite war das Gelände durch einen Hang geschützt. Unmittelbar neben der Siedlung floß ein kleiner Bach zum Fluss hinab. Auf der anderen Seite des Flusses lag eine ausgedehnte Ebene, die einen weiten Blick in die Landschaft erlaubte.

An diese Plätzen standen dauerhafte Behausungen mit einem Durchmesser von 4 m bis 8 m. Die Bauten in Gönnersdorf und Andernach waren fest gebaut und nicht transportabel.

Das Siedlungsareal in Gönnersdorf und Andernach war ein zentraler Platz für das Magdalénien-Zeitalter im Rheinland. In diesen Behausungen lebten Familiengruppen, die aus verschiedenen, weiter entfernten Gebieten kamen.

Nach den jeweils dargestellten Tieren, z.B. in den Steinritzungen, hatten diese Gruppen auch unterschiedliche Traditionen.

Die Menschen aus den unterschiedlichen Gebieten hielten sich hier mehre Monate auf, oft auch mit einer zeitlichen Überlappung des Aufenthalts. In den Siedlungen fanden sehr unterschiedliche Tätigkeiten statt, wobei die erhaltenen Gegenstände die Wirklichkeit nur verzerrt widerspiegeln. "Belegt sind die Bearbeitung von Stein und Knochen, die Herstellung von Schmuck aus Tierzähnen und Gagat (eine sehr dichte Braunkohle) sowie viele häusliche Tätigkeiten, die durch die Kochgruben nur andeutungsweise erfasst wurden. Schmuck und Kunst spielten eine wichtige Rolle."

Die gefundenen Jagdbeutereste stammen von unterschiedlichen Tierarten, die an verschiedenen Plätzen erlegt wurden. Für die Pferde-, Rentiert- und Wisentjagt in der Umgebung gab es spezielle Plätze an den Wanderwegen der Herden, die zu bestimmten Jahreszeiten immer wieder aufgesucht wurden. Fischfang und Sammelwirtschaft waren sicher wichtig, auch wenn die Belege hierfür nur spärlich überliefert wurden.

Bild von Dietrich Evers

Das Neuwieder Becken zur Zeit von Gönnersdorf und Andernach: Im Kreis die Gönnersdorf Siedlung. Das Rheintal, in dem der Fluss in Schleifen mäandriert, war mit Röhricht, Erlen und Weiden bestanden, in dem Schwäne, Gänse und Enten lebten. An den Hängen standen Kiefern. Dazwischen war eine Graslandschaft, in die Wacholder und andere Büsche eingestreut waren. Hier war das Gebiet der Pferde und Rentiere, der Saigantilopen, Eisfüchse und Schneehasen, aber auch vom Mammut und Wollnashorn.

Elfenbein-Frauenfigur aus Gönnerdorf

In Andernach und Gönnersdorf wurden 31 Frauenfiguren aus Elfenbein gefunden. Die aufwendige Herstellung lassen vermuten, dass diese persönliches Eigentum waren.

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